Hanspeter Gondring Foto: Ingo Dalcomo

Immobilienexperte Hanspeter Gondring fordert die Kommunen auf, preiswerten Wohnraum bereitzustellen. Andernfalls wird es in den nächsten zehn Jahren keine wesentliche Verbesserung auf dem Wohnimmobilienmarkt geben.

Aus Sicht von Hanspeter Gondring fokussiert sich die aktuelle Diskussion, wie der Wohnungsmangel behoben werden kann, zu stark auf den Neubau. Es fragt sich, ob nicht auch durch Sanierung und Umbau von Bestandsgebäuden ein Beitrag zur Lösung des Wohnungsmarktes erreicht werden könnte. Seine Rechnung: 83 Prozent der Wohnungsgebäude wurden vor 2000 errichtet und nur 17 Prozent danach. Gerade die älteren Bestandsgebäude hätten ein großes Potenzial durch Nachverdichtung, Optimierung der Flächenaufteilung und -nutzung und die energetische Sanierung wieder „fit“ für die Gegenwart gemacht zu werden.

Es fehle, so der Wirtschaftswissenschaftler, aktuell an Innovationen, neuen Denkmodell oder schlichtweg der Mut, auch mal andere Wege gehen zu wollen. „Wir werden bei der Lösung des Problems, wenn überhaupt, nur sehr langsam vorankommen.“ Erste Kollegen äußern sich, dass die „Wohnmisere“ noch bis 2060 fortbestehen könnte. So skeptisch will Gondring nicht sein. Aber auch er sieht die Lösung für die Probleme im Wohnungsmarkt auch nicht vor 2035.

„Der Staat versagt“

Gondring, der Ende März nach 27 Jahren als Studiendekan und Studiengangsleiter Immobilienwirtschaft an der Duale Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart in den Ruhestand verabschiedet wird, sieht schon lange den öffentlichen Sektor in der Fürsorgepflicht, „bezahlbaren“ Wohnraum in ausreichendem Umfang zur Verfügung zu stellen. Er kritisiert, dass der Staat seit 20 Jahren im Wohnungsmarkt versagt. Dies zeige sich in den jährlichen Verfehlungen der selbst gesteckten Ziele, wie den 400 000 Wohnungen pro Jahr der Bundesregierung oder den versprochenen 1800 Wohnungen pro Jahr von Alt OB Fritz Kuhn in Stuttgart. „Es fühlt sich an wie in dem Film „Und ewig grüßt das Murmeltier“, wenn die Politiker Jahr für Jahr eingestehen müssen, dass die Ziele im Wohnungsbau wieder weit verfehlt wurden“, sagt Gondring.

Er schlägt deshalb vor, den Fokus auf die Förderung des privaten Wohnungsbaus zu legen und Anreize für private Investitionen zu schaffen. Die Einführung der degressiven Abschreibung sieht er als ersten richtigem Schritt in diese Richtung. Von den 42 Millionen Haushalten in der Bundesrepublik sind rund fünf Millionen Haushalte potenzielle „Häuslebauer“. Diese „Masse“ stelle ein latentes Investitionspotenzial in einer Größenordnung dar, wie es der Staat selbst auf 20 Jahre gerechnet nie allein aufbringen könne. „Das Nachfragepotenzial muss nur „aktiviert“ werden“, sagt Gondring.

Das Eigenheim – ein Auslaufmodell?

Selbstverständlich stelle sich heute auch die Frage, ob der Traum der Deutschen vom Einfamilienhaus überhaupt noch in die Zeit passe. „Unter dem Aspekt des Flächenverbrauchs wahrscheinlich nicht, aber hierbei wird oft übersehen, dass Einfamilienhäuser sogenannte Umzugsketten auslösen“: Zieht ein Haushalt von einer Mietwohnung in ihr Eigenheim, wird die frei werdende Wohnung von einem anderen Haushalt bezogen, der wiederum eine Wohnung freimacht. Dieser Effekt wurde durch intensive staatliche Förderung des Eigenheims in den 1970er und 1980er Jahr bewusst initiiert. „Deshalb sollte das Eigenheim nicht in Gänze verteufelt werden.“

Zusammenfassend fordert Gondring: „Mehr fördern als regulieren“. In diesem Zusammenhang verweist der Wirtschaftswissenschaftler auf die fast „explosiv“ ansteigenden bürokratischen Vorschriften, die noch von der EU weiter befeuert würden. Beginnend bei den Energiegesetzen, den Umweltgesetzen bis hin zu den DIN-Vorschriften, Landesbauordnungen und Baunutzungsverordnungen seien heute für den Wohnungsbau über 5000 Vorschriften einzuhalten. Das koste insgesamt Geld und Zeit und hemme zusätzlich den Wohnungsbau.

Ein weiterer Kritikpunkt Gondrings ist die Grunderwerbsteuer, die je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5 Prozent liegt. Werden noch Notar- und Grundbuchkosten sowie Maklercourtage dazu gerechnet, lägen die Kaufnebenkosten bei Wohnungserwerb zwischen zehn und 13 Prozent der Kaufsumme. Bei einer eher knappen Eigenkapitaldecke werde für viele Haushalte der Eigentumserwerb so jetzt und in ferner Zukunft ein unerreichbares Ziel bleiben.

Ungeachtet der Probleme auf dem Wohnungsmarkt bleibt aus Sicht des scheidenden Studiendekans Immobilienwirtschaft an der Dualen Hochschule die Immobilienwirtschaft in Zukunft als ein spannendes Forschungs- und Lehrgebiet insbesondere im Bereich der Dekarbonisierung, der Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert oder im Einsatz von KI und Digitalisierung. Allerdings werde die Entwicklung von Immobilienprojekten in den nächsten Jahren noch herausfordernder sein, wobei Büroimmobilien an Bedeutung tendenziell eher verlieren werden.

Ganz lassen kann es der emeritierte Immobilienprofessor dann doch nicht. Die eine oder andere Vorlesung und die weitere Betreuung von Bachelor-, Master- oder Dissertation werden ihm bleiben und auch in seiner privaten Immobilienakademie dürfte ihm die Arbeit nicht ausgehen.

Schwarzer Löwe

Wirtschaftspreis
Vor dem Hintergrund eines akuten Wohnraummangels in den Ballungsgebieten haben die Verlage, die den Wirtschaftspreis Schwarzer Löwe ausloben, im zurückliegenden Jahr die Kategorie Wohnkonzepte eingeführt. Der Preis soll einerseits Ansporn sein, andererseits aber auch Anerkennung für Ideen, Innovationen und Projektentwicklungen sein, die dem Wohnungsmangel entgegenwirken, erklärt Prof. Hanspeter Gondring, der für die Duale Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart federführend in der Jury sitzt und das wissenschaftliche Auswahlverfahren entwickelt hat.

Kategorien
Neben der Kategorie Wohnkonzepte können sich Unternehmen aus Baden-Württemberg noch bis 16. August unter www.schwarzerloewe-bw.de in den weiteren Kategorien Innovation, Nachhaltigkeit und soziales Engagement bewerben. Die Preisträger werden am 21. November im Rahmen einer Gala im Römerkastell in Bad Cannstatt bekannt gegeben. red